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Die Region um den Stuttgarter Flughafen wächst

Allgemein
04.12.2018

Die Gäubahn ist mehr als nur eine wichtige Verbindung in die Schweiz und nach Italien. Viele Anliegerstädte profitieren künftig von Stuttgart 21 und dem beschlossenen dritten Gleis am Flughafen, dem sie ein ganzes Stück näher kommen werden.

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Die Zahlen sprechen für sich: In den 179 Kommunen in der Region Stuttgart leben derzeit 2,8 Millionen Menschen, was bedeutet: jeder vierte Baden-Württemberger ist hier Zuhause. Mit knapp 160.000 Unternehmen sind mehr als 30 Prozent aller Betriebe im Land in der Region Stuttgart angesiedelt, darunter zahlreiche High-Tech-Firmen und innovative Betriebe, die der Region ein hohes Bruttoinlandsprodukt und einen bundesweiten Spitzenplatz bescheren: In keiner anderen Region in Deutschland ist die Zahl an Patentanmeldungen im Verhältnis zur Einwohnerzahl größer.

Zuletzt, im Sommer 2018, wurden 23 mittelständische Firmen aus der Region Stuttgart im Rahmen des Wettbewerbs Top 100 als besonders innovativ ausgezeichnet. Unter den Preisträgern sind Firmen aus den Bereichen Elektrotechnik, Maschinenbau, Chemie, IT oder auch Unternehmensberatung und Pflege.

Schon jetzt zählt die Region Stuttgart mit seinen fünf Landkreisen Böblingen, Esslingen, Göppingen, Ludwigsburg und Rems-Murr sowie der Landeshauptstadt Stuttgart zu den stärksten Wirtschaftsstandorten Europas
– in naher Zukunft wird der industrie- und exportstarke Speckgürtel um Stuttgart noch ein ganzes Stück größer werden. Grund dafür ist das Bahnprojekt Stuttgart-Ulm, mit dessen Realisierung etliche Regionen deutlich näher an den Stuttgarter Flughafen und den neuen Businesspark Stuttgart Airport City rücken werden, darunter auch die Anrainerkommunen entlang der Gäubahnstrecke Richtung Süden.

Ein Beispiel ist das Städtchen Tuttlingen in der Region Schwarzwald- Baar-Heuberg, das gerne als „Welthauptstadt der Medizintechnik“ bezeichnet wird. Rund 600 Unternehmen in dieser Branche haben
sich hier im Landkreis angesiedelt, angeführt von der Aesculap AG, dem Weltmarktführer und größten Arbeitgeber in der Gegend, dessen Ensemble aus historischen und neuen Firmengebäuden das Stadtbild am Bahnhof prägen.

Knapp 36.000 Einwohner hat Tuttlingen derzeit, einer davon ist Guido Wolf, der ehemalige Landtagspräsident und aktuelle Justizminister des Landes. Außerdem ist der führende CDU-Politiker schon seit geraumer Zeit Vorsitzender des Interessenverbands Gäubahn, der sich für den Ausbau derselben einsetzt und als Sprachrohr die Belange jener Städte und Gemeinden vertritt, die wie Wolfs Heimatort an der Zugstrecke Richtung Süden liegen – von Horb über Rottweil, Spaichingen oder Weilheim bis Hattingen und weiter nach Singen und Zürich.

Erklärtes Ziel des Interessenverbands ist es,die Reisezeit zwischen Stuttgart und Zürich zu beschleunigen, um der Landeshauptstadt und dem Flughafen näherzukommen. In der Neubaustrecke nach Ulm, dem neuen Verkehrsknoten am Stuttgarter Flughafen und dem Durchgangsbahnhof von Stuttgart 21 sieht der Verband „einen wichtigen Schritt, um Baden-Württembergs Spitzenposition im nationalen und internationalen Wettbewerb zu festigen, wobei auch die Anrainerkommunen entlang der Gäubahn von dem Projekt profitieren werden“. Stuttgart 21, davon ist der Verband mit seinem Vorsitzenden überzeugt, bringt durch die Verbindung mit dem Stuttgarter Flughafen enorme Vorteile und Perspektiven für die Gäubahn und ihre Anlieger, wenn es gelingt, entlang dieser Strecke möglichst viel Verkehr auf die Schiene bringen.

Bei optimaler Anbindung der Gäubahn an den Stuttgarter Flughafen könnten nach früheren Prognosen der Flughafengesellschaft bis zu 400.000 zusätzliche Fahrgäste im Jahr auf den Zug umsteigen. Um eine Trennung zwischen dem S- Bahn-Verkehr und den übrigen Zügen zu ermöglichen, wurde die ursprüngliche Planung jüngst um ein drittes Gleis an der Station am Flughafen erweitert. Einen wichtigen Schritt hat die Bahn zudem mit einem neuen Fahrplankonzept vollzogen: Zum einen wurden Ende 2015 die Abfahrtszeiten in Stuttgart und Zürich angepasst, um bessere Anschlüsse für die Fahrgäste zu ermöglichen. Ab Ende 2017 werden zudem stündlich neue IC-Doppelstockzüge eingesetzt, womit die Bahn ihr Fernverkehrsangebot verdoppelt. Mit diesem Interimskonzept ist eine deutliche Qualitätsverbesserung und erheblich mehr Komfort für den gleichen Fahrpreis verbunden.

Auch die Anliegerstädte der Gäubahn werden ein Stück näher an die Region heranrücken, sobald Stuttgart 21 und die Neubaustrecke in Betrieb gehen. Über die neue Anbindung wird der Airport der Landeshauptstadt mit seiner Verkehrsdrehscheibe für die Fahrgäste aus dem Süden wesentlich schneller erreichbar sein. Soll die Fahrt weitergehen, könnte die Auswahl an Möglichkeiten dann kaum größer sein: Neben S-Bahnen und Bussen fahren hier auch künftig Regional- und Fernzügen sowie Stadtbahnen. Zudem ist der Verkehrsknoten auch über die Autobahn A 8 und über Bundesstraßen exzellent angebunden. Acht Minuten dauert beispielsweise die Fahrt mit dem Zug in die Stuttgarter City. Es gibt nur wenige Großstädte, in denen man vom Flughafen so schnell in der Innenstadt ist.

Auf der Gäubahn selbst gibt es derweil noch Beschleunigungsbedarf. Etwas mehr als drei Stunden dauert die Fahrt vom Stuttgarter Hauptbahnhof nach Zürich derzeit noch. Für eine Verkürzung der Fahrzeit setzt sich auch die Industrie und Handelskammer Schwarzwald-Baar-Heuberg ein. Der zügige Ausbau der Gäubahn sei unverzichtbar für die Standortattraktivität und habe oberste Priorität für die exportorientierten High-Tech-Unternehmen und die Tourismusbranche in der Region, so der IHK-Hauptgeschäftsführer Thomas Albiez.

Doch es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis die Lücken geschlossen werden. Im Vertrag von Lugano haben sich Deutschland und die Schweiz verpflichtet, die Reisezeit zwischen Stuttgart und Zürich auf 2 Stunden und 15 Minuten zu verkürzen, wofür auf der ab Horb meist eingleisigen Strecke einige Doppelspurinseln eingebaut werden müssen, an denen sich Züge begegnen können. Der Planfeststellungsbeschluss für den zweigleisigen Ausbau zwischen Horb und Neckarhausen liegt seit Mai 2018 vor.