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Airport Cities: Die Zentren der Zukunft

Allgemein
12.11.2019

Ein gut angebundener Flughafen ist nicht nur eine Verkehrsdrehscheibe, sondern auch Motor einer regionalen Wirtschaftsentwicklung. So wie einst rund um die großen Bahnhöfe lebendige Stadtquartiere entstanden sind, entstehen heute an Flughäfen mit den Airport Cities neue Zentren der Geschäftstätigkeit. Denn viele Flughäfen sind nicht nur für Unternehmen begehrte Standorte.

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Songdo in Südkorea

„Die Airports von heute haben eine ähnliche Funktion wie früher die großen Bahnhöfe oder Seehäfen.“ Diese zwischenzeitlich immer häufiger zitierte Aussage stammt von dem US-amerikanischen Ökonom John Kasarda, weltweit einer der führenden Experten für Flughafeninfrastruktur und Direktor des Zentrums für Air Commerce der University of North Carolina. Seine Ansichten sind längst überall auf der Welt gefragt, in Mexiko und China genauso wie in den Niederlanden oder Deutschland. Schon seit den 90er Jahren sieht er in den Flughäfen „die Wirtschaftsmotoren des 21. Jahrhunderts“. Denn mit der zunehmenden Globalisierung, so der Wissenschaftler, mutiere die Luftfahrt zum logistischen Rückgrat der Ökonomie.

 

Flughäfen werden den Wirtschaftsstandort und die Stadtentwicklung im 21. Jahrhundert ebenso prägen wie Autobahnen im 20. Jahrhundert, Eisenbahnen im 19. Jahrhundert und Seehäfen im 18. Jahrhundert

John D.Kasarda

Aerotropolis

Um seine Visionen greifbar zu machen, hat Kasarda schon früh den Begriff „Aerotropolis“ geprägt, einer Stadt also mit einem Flughafen als Fixpunkt. In seinem Buch „Aerotropolis: The Way We’ll Live Next“ beschreibt er, wie er sich diese Zentren der Zukunft vorstellt. Im direkten Umfeld der Luftverkehrsdrehscheiben bilden sich demnach Wirtschaftszonen und Wohnareale, die mittels sogenannter „Aerolanes“, also Schnellstraßen, zu erreichen sind. Die Anwohner haben uneingeschränkten Zugriff auf sämtliche Einrichtungen des täglichen Bedarfs, bis hin zur medizinischen Versorgung und Naherholung.

Im vielerlei Hinsicht ist die von John Kasarda entworfene Aerotropolis traditionellen Städten durchaus ähnlich. Mit einem entscheidenden Unterschied: Das Stadtzentrum ist der Flughafen. Kasarda sieht darin lediglich eine logische Entwicklung, da Geschwindigkeit und Mobilität die Triebfeder der modernen Wirtschaft sind und Flughäfen den schnellsten Weg ermöglichen, an globalen Handelsströmen teilzuhaben. Ein Flughafen bildet damit den idealen Grundstein für eine neue Stadt.

Tatsächlich sind Städte schon immer entlang der großen Handelsstraßen entstanden, beispielsweise an Flüssen oder Eisenbahnstrecken. So zählt beispielsweise die so genannte Technologie-Achse-Süd, also der Raum zwischen Karlsruhe, Stuttgart, Ulm, Augsburg und München, zu den Regionen mit der höchsten Wirtschafts- und Innovationskraft in ganz Europa. Maßgeblichen Anteil an dieser Entwicklung hat die transeuropäische Magistrale Paris-Wien-Budapest, die mit dem derzeitigen Ausbau des Stuttgarter Bahnknotens, dem Bau des Flughafenbahnhofs und der Neubaustrecke nach Ulm noch einmal deutlich leistungsfähiger wird.

Der Standort am Stuttgarter Flughafen, der mit dem Ausbau der neuen Infrastruktur und der Anbindung an die Magistrale in eine zentralere Lage in Süddeutschland rücken wird als bisher München, gewinnt dadurch weiter an strategischer Bedeutung und Attraktivität. Was möglich ist, zeigen die Beispiele anderer Metropolen, die das Potenzial von Flughäfen als wirtschaftlichem Motor für urbane Zentren erkannt haben. Ein Beispiel einer am Reißbrett entstandenen Stadt in unmittelbarer Flughafennähe ist Songdo in Südkorea. Auch Dubai zählt zu den Pionieren. Die Stadt hat eine „Festival City“ errichtet, die Platz für 100.000 Bewohner sowie Schulen, Einkaufszentren und einen Yachthafen bietet. Das neue urbane Zentrum liegt nur eine Meile vom populären Dubai International Airport entfernt und soll finanzkräftige Unternehmen anlocken.

Als weiteres Vorzeigemodell einer Airport City gilt der Neue Flughafen Istanbul, der im Oktober 2018 eröffnet wurde. In der Kernzone der Istanbul Airport City sollen unter anderem ein Hotel, ein Krankenhaus, zahlreiche Büros, ein Einkaufszentrum sowie eine Moschee nebst Metrostation entstehen. Geplant sind zudem Kultureinrichtungen wie etwa Museen sowie großzügige Alleen mit öffentlichen Plätzen. Eine neue Stadt mit Wohneinheiten, Büros und Hotels also, die unmittelbar am Puls der globalen Wirtschaft gelegen ist.

Bemerkenswerte Beispiele, die überall auf der Welt Schule machen. Rund um den Globus werden aktuell Airport Citys gebaut, in allen Varianten und Größen. Längst ist es unstrittig, dass Flughäfen in der Entwicklung von Regionen und Ländern eine strategische Rolle einnehmen und in Sachen Wirtschaftswachstum und Wettbewerbsfähigkeit zu den „key facilities“ zählen. Immer weniger geht es in der Wirtschaft heute nur um die Konkurrenz zwischen einzelnen Unternehmen, sondern um den Wettbewerb der Zuliefererketten. Betriebe und Produzenten siedeln sich daher vermehrt in der Nähe von Flughäfen an, am Amsterdamer Flughafen Schiphol etwa, in Frankfurt am Main, in Memphis, in Mumbai, Shanghai, Zürich oder in der Stuttgart Airport City.

 „Gewinnen werden die schnellsten und am besten erreichbaren Standorte. Solche, die das Gebot der Stunde erkennen, bevor andere überhaupt den Wettbewerb wahrnehmen“, lehrt John Kasarda, von dem auch dieses Zitat stammt:

Suche die geschäftigsten Bahnhöfe der Vergangenheit und Du wirst die größten urbanen Zentren der Gegenwart finden. Suche die geschäftigsten Airports von heute und Du wirst die großen urbanen Zentren von morgen finden.

John D. Kasarda