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Weichenstellung für die Zukunft

Allgemein
30.05.2018

Mit dem neuen Durchgangsbahnhof von Stuttgart 21 und der Neubaustrecke nach Ulm sind viele Vorteile verbunden. Drei Viertel aller Baden- Württemberger profitieren von den schnelleren Verbindungen. Und die Wirtschaftskraft, so die Prognosen, wird im ganzen Land zulegen.

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Vor 165 Jahren, im Juni 1850, ist der erste Zug auf der seinerzeit neuen Filsbahn von Stuttgart über Untertürkheim, Plochingen und Göppingen bis Ulm und später weiter nach Friedrichshafen gefahren. Im Sog der schwäbischen Eisenbahn und der neuen Infrastruktur vollzogen Württemberg im Allgemeinen und die gesamte Region Stuttgart im Besonderen einen enormen wirtschaftlichen Aufschwung, die Basis für die Industrialisierung war gelegt. Auf der neuen ICE-Strecke von Stuttgart nach Ulm, der Verkehrsdrehscheibe am Stuttgarter Flughafen und dem Durchgangsbahnhof von Stuttgart 21 ruhen nun ganz ähnliche Hoffnungen. Auch diesmal, so prognostizieren es die Branchenverbände, Interessenvertretungen, Kommunen und Ministerien gleichermaßen, geht es um die Entwicklungschancen für die nächsten hundert Jahre. Die Auswirkungen und Veränderungen, die das Großprojekt zur Folge hat, betreffen dabei ganz verschiedene Bereiche.

Verkehr

Zahlreiche Kommunen und Landkreise in Baden-Württemberg werden künftig besser als bisher an die Region Stuttgart und die Fildern mit dem Flughafen, der Landesmesse und dem neuen Gewerbegebiet Stuttgart Airport City angebunden sein. Der Flughafen wird dabei zu einem Verkehrsdrehscheibe ausgebaut, zu der neben einem neuen Fernbahnhof auch ein zentrales Busterminal, eine S-Bahn-Station und eine Stadtbahnanschluss gehört. Von den kürzeren Fahrzeiten profitieren täglich hunderttausende von Berufspendlern, die aufgrund direkter Verbindungen zudem weniger umsteigen müssen und ein größeres Angebot an Zügen haben. Untersuchungen zufolge hat der Ausbau der Infrastruktur für drei Viertel aller Baden-Württemberger einen direkten Nutzen.

Städtebau

Nach dem Abbau der heutigen Gleisanlagen rund um den Stuttgarter Hauptbahnhof wird mitten im Herzen der Stadt ein hundert Hektar großes Areal frei, auf dem mit Beteiligung der Bürger ein neuer Stadtteil gebaut werden soll: das Rosensteinquartier. Geplant ist ein ökologisches Modellviertel, das direkt an den Schlossgarten anschließt und die Grünanlage erweitert. Nach einem ursprünglichen Rahmenplan könnten auf dem Areal 11.000 Arbeitsplätze und Wohnraum für 24.000 Menschen entstehen. Angedacht sind zudem kulturelle Einrichtungen wie eine Schlossgartenphilharmonie, ein Neubau für das Lindenmuseum, ein Kongresszentrum und ein Tagungscenter. Das endgültige Konzept für die Gestaltung des Quartiers soll im Rahmen einer informellen Bürgerbeteiligung aufgestellt werden. Vom Stuttgarter Flughafen aus wird das neue Quartier in der Innenstadt mit der Bahn in acht Minuten erreichbar sein.

Wirtschaft

Es gibt etliche Prognosen und Studien, die sich mit den messbaren Folgen und volkswirtschaftlichen Bewertungen des Verkehrsprojekts beschäftigen. Demnach könnten durch die starken Reisezeitverkürzungen und die dadurch induzierten Produktionssteigerungen bis zu 12.000 neue Arbeitsplätze in Baden- Württemberg entstehen. Die Wirtschaftskraft soll im Zuge der Anbindung des Landes an das europäische Hochgeschwindigkeitsnetz um geschätzte 500 Millionen Euro im Jahr zulegen. Zu den Hauptprofiteuren werden unter anderem die Regionen Stuttgart und Ulm gezählt. Außerdem gehen die Experten davon aus, dass die Einwohnerzahlen in Städten wie Stuttgart und Ulm sowie anderen Kommunen entlang der Neubaustrecke steigen werden. Einerseits aufgrund frei werdender Flächen wie in der Stuttgarter Innenstadt. Zudem sorgen auch die neuen Arbeitsplätze für einen Zugewinn an Einwohnern, was sich wiederum positiv auf die Steuereinnahmen der Kommunen auswirkt.

Ökologie

Mit dem neuen Bahnknoten werden zahlreiche Verbindungen optimiert, bisher umständliche Streckenführungen und Rangiermanöver entfallen. Beispielhaft zeigt sich das an der bisherigen Verbindung nach Tübingen, die den Expresszug über Bad Cannstatt, Esslingen und Plochingen führt, obwohl er an diesen Bahnhöfen nicht hält. Künftig fährt der Zug nach Tübingen auf direktem Weg durch den zehn Kilometer langen Fildertunnel zum Stuttgarter Flughafen und fädelt dort auf die bestehende Trasse ein. Durch diese Streckenoptimierungen und Fahrzeitverkürzungen wird der Energieverbrauch erheblich gemindert. Gleichzeitig wird durch das Projekt auch der umweltfreundliche Güterverkehr auf der Schiene gestärkt. Heute fahren über die 160 Jahre alte Geislinger Steige sowohl Güterzüge als auch Regionalzüge, ICEs sowie der TGV. Die Maximalgeschwindigkeit auf der kurvenreichen Strecke beträgt 70 Stundenkilometer. Mit Stuttgart 21 werden sämtliche ICE-Verbindungen, der TGV und eine Regionalverbindung auf die Neubaustrecke verlagert, auf der bis zu 250 Stundenkilometer gefahren wird.
Dadurch werden zusätzliche Kapazitäten für den Güterverkehr frei.

Das Bahnprojekt Stuttgart-Ulm in Zahlen

Hinter der Bezeichnung Stuttgart 21 verbirgt sich die Neuordnung des Bahnknotens in der Landeshauptstadt. Auf einer Gesamtstrecke von 57 Kilometern werden im Stadtgebiet dazu unter anderem 16 Tunnel und 18 Brücken gebaut. Herzstück des Projekts ist der neue Durchgangsbahnhof des Düsseldorfer Architekten Christoph Ingenhoven, der den bisherigen Kopfbahnhof ersetzen wird. Dazu baut die Bahn drei weitere Stationen: einen neuen Bahnhof am Stuttgarter Flughafen und dem Messegelände, die S-Bahn-Station Mittnachtsstraße in der Stuttgarter Innenstadt sowie einen Abstellbahnhof in Untertürkheim.  Die Projektkosten werden von der Deutschen Bahn AG, dem Bund (inklusive EU-Fördermittel), dem Land Baden-Württemberg, der Landeshauptstadt Stuttgart, der Flughafen Stuttgart GmbH und dem Verband Region Stuttgart getragen.

Neubaustrecke Wendlingen-Ulm (NBS)

Die Neubaustrecke Wendlingen-Ulm (NBS) hat eine Gesamtlänge von 59,6 Kilometer. Rund 30 Kilometer davon verlaufen in insgesamt fünf Tunnelabschnitten. Zudem müssen entlang der Strecke 20 Straßenbrücken und 17 Eisenbahnüberführungen gebaut werden, darunter die Filstalbrücke. Der Umbau des Ulmer Hauptbahnhofs, der ebenfalls Bestandteil des Projekts ist, wurde bereits abgeschlossen.Die Höchstgeschwindigkeit auf der neuen ICE-Trasse, die parallel zur A 8 verläuft und über die Schwäbische Alb führt, beträgt 250 Stundenkilometer.